Phasen der Dartitis


von Karl Hartmann


Aus den heiligen Hallen wissenschaftlicher Forschung und meinen eigenen, bierseligen Wanderungen durch das Feld der Psychologie versuche ich eine Erklärung für Dartitis zu geben. Was ist eigentlich Dartitis?
Dartitis wird üblicherweise benutzt wenn in der Leistung eines Spielers ein signifikanter Einbruch stattfindet, der über einen längeren Zeitraum anhält. Im schlimmsten Fall kann ein Spieler/in seinen oder ihren Dart nicht mehr abwerfen. Verbreiteter sind aber Leistungstiefs, in denen nichts, was ein Spieler tut oder versucht, das Spiel zu verbessern vermag. Ich tendiere immer dazu, diese Phasen als Wachstumsschub zu interpretieren, in denen unser Körper und unser Verstand sich gegen alles Neues wehrt.

Wie man Dartitis aber auch immer betrachten mag, sie läuft auf jeden Fall in unterschiedlichen, wenn auch nicht immer deutlich getrennten, Phasen ab. Ich mache hier einmal "Anleihen" beim großen Kubla Ross und bezeichne die Phasen als Verleugnen, Wut, Verhandeln, Depression und Annahme. Nach meinen intensiven Studien durchlaufen manche Dartspieler diese Phasen sehr schnell, während andere in einer Phase stecken bleiben können und Schwierigkeiten haben, wieder herauszufinden. Wenn man diese fünf Phasen versteht, wird man den Prozess besser verstehen und auch erkennen können, in welcher Phase auf dem Weg zur Erholung man sich gerade befindet.


Phase 1 - Verleugnen
Verleugnung ist die erste Phase der Dartitis und häufig am schwierigsten zu überwinden. Unser als Beispiel benutzter Durchschnitts-Darter wirft an einem Samstag Abend Dart bei einem lokalen Turnier und plötzlich: Wamm - Dartitis! Und es ist nur noch eine Woche Zeit vor dem großen Turnier. Unser Dartspieler wirft so schlecht, dass er seinen Dart nicht auf eine sich langsam bewegende Schildkröte fallen lassen könnte, die ein Bullseye auf ihrem Rücken trägt. Er könnte nicht den Pazifischen Ozean treffen, selbst wenn er schon Knie tief in den Wellen stehen würde. Er wirft so schlecht, dass er von seinem Standpunkt aus gerade nicht einmal den Planeten Erde treffen würden! Und wie reagiert er? Abstreiten! Abstreiten! Abstreiten!

Unser als Beispiel benutzter Darter wird versuchen sich selbst zu überzeugen, dass die Darts, die er gerade geworfen hat, kein Maß für seine wirklichen Fähigkeiten sind. Sein Verstand ist so kreativ, dass dieses Verleugnen über Jahre fortgesetzt werden kann. Man kann tatsächlich sagen, dass, je kreativer und intelligenter Du bist, es umso wahrscheinlicher ist, dass Dein Anfall von Dartitis lange Zeit anhält. Unser kreativer Verstand ist durchaus fähig jedes durchschnittliche Ereignis in einen Grund dafür umzuwandeln, dass man sein beabsichtigtes Ziel verfehlt. Und wenn wir alle durchschnittlichen Ereignisse aufgebraucht haben, wird sich unser Verstand Voodoo, Sonnenflecken, Zeichen Gottes und den Barometerständen zuwenden. Der kreative Verstand kennt keine Grenzen, was die Verleugnung anbelangt und normalerweise gibt es zwei Wege der Verleugnung.

  • A. Schuldzuweisung an innere Faktoren

  • Das erste, was unser Verstand macht, wenn wir etwas verleugnen ist, sich auf uns zu fokussieren. Wir untersuchen unsere, Wurf, unseren Stand, die Konzentration, die Technik, die Position unseres Daumens, die Atmung, wie wir die Darts, mit denen wir nicht werfen, halten, ob unsere Augendominanz rechts order links ist und tausende anderer kleiner Dinge, die wir nie in Frage gestellt haben oder die uns nie aufgefallen sind, solange wir das treffen, worauf wir zielen.

    Wenn unsere Darts weiter ihr Ziel verfehlen, wenn es noch schlimmer wird, fangen wir an körperliche Symptome zu entwickeln, in unserem Körper sticht und schmerzt es. Diese kleinen Schmerzen waren freilich schon immer da und wenn wir gut werfen würden, würden sie uns gar nicht auffallen. Aber jetzt nehmen wir unseren Magen, die Augen, die Füße, den Rücken, die Finger wahr und sogar, wie sich unser Shirt auf unseren Armen anfühlt. Wir spüren unsere Haare wachsen und überlegen, wie die Energie, die das braucht, unseren Wurf beeinträchtigt. Uns wird auf einmal überdeutlich, wie viel Essen oder Alkohol wir zu uns genommen haben und wie voll unsere Blase ist. Und all das unterstütz unsere Verleugnung und wird zu Entschuldigungen.

  • B. Schuldzuweisung an äußere Faktoren
  • Wenn uns die inneren Faktoren ausgehen, beginnt unser Verstand nach anderen Dingen zu suchen, die unsere persönliche Verantwortung vermeiden. Wir fangen an total zu ignorieren, dass wir schlechte Darts werfen und fangen an unseren Partner, Team-Kollegen, dem Luftzug, Musik, Qualm, einer Person, die niest, Schatten auf dem Board, zuviel Alkohol, einem vorbei fliegenden Flugzeug, zu wenig Alkohol, dem Barometer, dem unebenen Boden, der Temperatur, hüpfenden Kängurus in Australien oder Koalas, die geräuschvoll die Bäume hochklettern, dem Schmetterlings-Effekt, der Evolution, den Genen, der Quanten Theorie, der Lichtverteilung in einer parabolischen Kurve, dem Nikolaus, Jesus und dem Osterhasen die Schuld zu zuweisen.


Hoffentlich gelingt es unserem Verstand, diese Verleugnungs-Phase rasch hinter sich zu bringen und sich klarzumachen, dass der Nikolaus und der Osterhase imaginäre Gestalten sind, die zur Unterhaltung der Kinder erfunden wurden. Ob Jesus real ist oder nicht, wird zu einer Nebensache, weil er, gleichgültig ob real oder irreal, die Nummer 1 ist, keiner kann ihn schlagen und ihm ist das vollkommen egal, ob Du unter Dartitis leidest oder nicht. Schritt für Schritt überwindet unser Verstand mit Logik oder ganz aktiv unsere Ausflüchte. Wir sind auf dem Weg zur Genesung. Und wenn dann kein Ausweg mehr da ist und unser Verstand wirklich alle möglichen Schulzuweisungen aufgebraucht hat, gibt es nur noch eine Möglichkeit. Werde wütend!!!


Phase 2 - Wut
Wut hat schon einige Dart Spieler dazu gebracht, die Darts in die nächste Ecke zu werfen und nie wieder zum Spiel zurückzukehren. Warst Du schon mal bei einem "Blind Draw" Turnier und hast beobachtet, wie ein Dartspieler seine Darts in die nächste Wand, den Rücken eines Schreibers oder in Richtung auf unschuldige Zuschauer geschleudert hat? Darts kann ein gefährlicher Sport sein, wenn ein Dartspieler in den Fängen der Dartitis ist!

Manchmal sind es auch Ärger und Entschlossenheit, die uns weiter helfen und uns daran hindern, in Hoffnungslosigkeit zu versinken, manchmal allerdings lassen sie unseren Sport und uns nur lächerlich aussehen. Wenn unser Kopf voller Wut ist, verändern wir uns von freundlichen Sportler in bösartig murmelnde Kandidaten für intensive Ärger Handling Programme. Keiner weiß, was wir da vor uns hinmurmeln. Uns ist noch nicht einmal bewusst, dass wir es machen. Es ist ein Rätsel, wie wir überhaupt vom Oche zum Board kommen und die Darts nach einem Wurf herausziehen. Wir sind gar nicht wirklich im Raum und wir spielen auch nicht wirklich Dart, aber wir glauben es zu tun, wenn wir zum Board stampfen und mehrmals auf das Zielfeld, dass wir treffen wollten, einstechen, als ob wir der Irre aus Hitchcocks Psycho Film wären.

Unser Ärger wurde losgelassen und geht auf alles los; es gibt nicht bestimmtes, an dem wir ihn festmachen können. Unser Verstand kann ihn ohne Vorwarnung gegen alles und jeden richten. Ich habe schon Spieler erlebt, die vor Ärger Dartboards von den Wänden kickten. Im letzten Stadium des Ärgers ist nichts mehr da, dass man verantwortlich machen könnte. Wir haben keine Energie mehr. Unser Verstand hat uns in die Menschen verwandelt, über die wir immer gelacht haben. Unser Spiel ist Mist und wir wissen es. Noch schlimmer, wir wissen auch, dass es nichts in Ordnung bringt, wenn wir wütend werden. An diesem Punkt würde jedes vernünftige Tier einfach zu den Grundlagen zurückkehren, eine Auszeit nehmen oder vielleicht mehr trainieren, der menschliche Verstand ist aber viel kreativer. Unser größeres Gehirn lässt uns für unsere schwachen Leistungen größere und bessere Möglichkeiten erfinden und so landen wir jetzt in Phase 3, dem Verhandeln.


Phase 3 Verhandeln (oder auch Betteln)
Unser Verstand, der unseren Zustand noch nicht akzeptieren will, beginnt zu betteln. Wut und Entschuldigungen gibt es nicht mehr. Wir rufen einfach nur: "Wann hört das denn endlich wieder auf?" "Bitte lass es aufhören. Was habe ich denn getan, um das zu verdienen? Ich verspreche mehr zu trainieren..." Am Höhepunkt dieser Phase werden wir uns in Chat Foren einloggen und um das kleinste Fitzelchen Hilfe betteln, durch das wir aus den Tiefen der Dartitis wieder zu Siegern emporsteigen können. Aber dummerweise ist alles, was wir von unseren Mit-Dartern hören so etwas: Ja Dartitis ist schrecklich, bei mir hat sie sechs Monate gedauert. oder Trainiere einfach weiter und kämpfe Dich durch...oder Mach mal eine Pause und wenn Du zurückkommst, wird es besser sein. Wie kann man nur wissen, was zu tun ist?

Geschlagen, am Boden, müde, kraftlos und bereit das Handtuch zu werfen, gibt es nur noch ein Stadium, dass zu durchlaufen ist: Bekomme eine Depression.


Phase 4 Depression
So unangenehm eine Depression auch sein mag, ist es in diesem Fall doch das, was wir eigentlich hätten zuerst bekommen sollen. Unser Verstand ist müde, wir haben keine Energie mehr und keine Lust zu trainieren oder an Blind Draws oder Turnieren teilzunehmen, wir haben keine Hoffnung mehr und kein Verlangen, was den Dartsport betrifft. Wir fühlen uns verloren. Mit anderen Leuten umzugehen wird zur Tortur und es scheint uns besser zu sein, zuhause zu bleiben und Cartoons anzusehen und uns mit Tom und Jerry Chunky Monkey Eis vollzustopfen. Aber auch nur, falls wir die Kraft aufbringen, den Fernsehapparat anzuschalten. Auch einfach auf der Couch zu sitzen und zu zuschauen, wie das Chunkey Monkey schmilzt, ist eine angenehme Tätigkeit, wenn man entsprechend deprimiert ist.

Irgendwann in dieser depressiven Phase, geben wir das Verleugnen auf, wir sind nicht mehr wütend, betteln tun wir auch nicht mehr. Wir fühlen uns einfach nur noch hoffnungslos und dann geschieht etwas Bemerkenswertes - ein Paradigmenwechsel unserer Perspektive. Einige werden fühlen, dass ihre gesamte bisherige Technik und ihr Glauben erschüttert ist. Andere werden eine ganz kleine Veränderung vornehmen, die ihr Spiel total verändert. Vielleicht taucht inmitten der ganzen Ruinen eine neue Perspektive auf und erlaubt uns, zur letzten Phase weiter zu gehen.


Phase 5 Annahme (Das Licht am Ende des Tunnels)
Annahme ist wirklich eine Veränderung. Du kannst noch so sehr kämpfen, aber letzten Endes wirst Du nur dann zur Zufriedenheit und wieder ins Spiel zurückfinden, wenn Du das Problem annimmst. Dein Körper und Dein Geist akzeptieren die Veränderungen, die Du vorgenommen hast. Was? Du hast gar nicht gemerkt, dass Du versucht hast, etwas zu verändern? Was meinst Du denn, worum es im Training geht? Hast Du gedacht, Veränderungen wären leicht? Hast Du jemals versucht, das Rauchen aufzugeben oder das Fluchen oder das Nägel-Kauen oder zuviel Fernzusehen? Veränderungen sind schwer und Akzeptanz ist noch schwerer. Es ist sehr viel einfacher zu verleugnen, Schuld zu zuweisen oder zu betteln als etwas zu verändern. Deshalb bist Du jetzt wirklich angekommen.

Ich kenne keinen Dart Spieler, der mir nicht zustimmen wird. Nach jedem Anfall von Dartitis folgt eine Periode wachsender Fähigkeiten. Es ist schrecklich das durchzustehen, auch wenn wir natürlich Veränderungen wollen und wenn wir besser werden wollen, kämpfen unser Körper und Verstand dagegen an. Wir wollen einfach das nicht aufgeben, wofür wir bisher gearbeitet haben.

Dartitis kann man überwinden, wenn man weiß, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Es ist kein Geheimnis sich durchzukämpfen. Du wirst leugnen, wütend werden, betteln und depressiv sein und dann möglicherweise feststellen, dass die Dartitis eines der Dinge ist, die das Spiel so anziehend machen. Wenn Darts einfach wäre, wäre es gar nicht wert gespielt zu werden. Ertrage Deine Schwierigkeiten und Du wirst besser werden.

Good Darting

Taechon








Kontakt © Global Darts. All Rights Reserved. Impressum