Gary Anderson ist an allem schuld oder die erste Runde des World Matchplay
Eigentlich hatte ich ja dieses Jahr auf Artikel zum Turnier verzichten wollen, schließlich bin ich ja nicht live dabei. Und in Milton Keynes bin ich auch noch nie gewesen...
Aber dann kam Gary Anderson und wurde in zwei verschiedenen Interviews gefragt, was er denn zwischen dem gewonnen Erstrundenspiel und seinem Zweitrundenspiel tun würde. Merkwürdigerweise meinte er beide Male, zur Not könne er ja immer noch shoppen gehen. Ich bin sicher, dass er nicht shoppen gehen wird und auch nicht shoppen gehen kann. Erstens weil ich nicht wirklich glaube, dass Gary Anderson ein passionierter Shopper ist, der in seiner freien Zeit die Boutiquen der Innenstädte nach dem schicksten Outfit abklappert. Zweitens weil die PDC nicht begeistert sein dürfte, wenn einer der am Turnier beteiligten Spieler, der ja gerade erst negativ auf Covid 19 getestet wurde, nichts Besseres zu tun hat als sich unter die shoppende, ungetestete Menge zu mischen. Dann müsste man ja gleich wieder einen Test machen und sollte der positiv sein, könnte die PDC das ganze Turnier vergessen.

Das mit dem Shoppen gehen musste also ein Witz sein. Aber einer, den wahrscheinlich bis auf die Engländer niemand verstanden haben dürfte.

Also beschloss ich, das wäre vielleicht eine Recherche wert - nun ja und wenn man dann einmal mit Recherche, ist der nächste Artikel gar nicht weit.
Gary Anderson ist an allem schuld...
Milton Keynes ist nicht unbedingt eine Stadt von der man sagen kann, sie wäre einen Besuch wert, es sei denn für Stadtplaner, die gerne die Bausünden der 1960 Jahre untersuchen wollen. Denn Milton Keynes ist eine sogenannte "New Town". New Towns entstanden in den 1960 Jahren als "Entlastungsstädte" für Großstädte in ganz Großbritannien. Na ja, so ganz stimmt das nicht - es gab auch nach dem zweiten Weltkrieg schon solche New Towns - damals wie später in den 1960 weil es an Wohnraum fehlte. Die aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg entstanden vor allem rund um London. Anfang der 1960 gab es ein zweite Welle derartiger Städte und 1967 - 1970 dann noch einmal und zu dieser dritten Welle gehört Milton Keynes, das auf dem halben Weg zwischen London und Birmingham liegt. Zunächst waren diese Städte durchaus erfolgreich, aber heute stimmt dort die Infrastruktur nicht mehr und es gibt enorme soziale Probleme.

Im Fall von Milton Keynes wurden ein paar kleiner Ortschaften, die bereits existierten mit einbezogen. Die Stadt entstand wie alle derartigen New Towns am Reißbrett und ist wie ebenfalls alle diese Städte auf den Autoverkehr zugeschnitten - schachbrettartig, viele Straßen, viele Kreisverkehre. Heute stehen in den Kreisverkehren von Milton Keynes anscheinend bunte Betonkühe. Milton Keynes hat neben der größten Skihalle Europas auch - und darauf hat Gary Anderson wohl angespielt - das längste Einkaufszentrum mit sage und schreibe 720 m Länge.

Aber zurück zum diesjährigen World Matchplay, dass vollkommen anders ist, als alle World Matchplays zuvor. Keine Winter Gardens, kein Blackpool Tower, keine Menschenmassen am Strand oder beim Turnier, keine Urlaubsatmosphäre. Beim Walk-on bleiben die Spieler alleine, die Geräusche kommen vom Band und sind gut an die Situation angepasst - da sitzen irgendwo sehr aufmerksame Techniker, die den Jubel mit nur minimaler Verzögerung im richtigen Augenblick einspielen. Trotzdem bezeichnen die meisten der Spieler die Geräuschkulisse als "weird" - tatsächlich benutzen sie alle das gleiche Wort dafür. Lediglich Krzysztof Ratajski hat bisher gesagt, dass es täuschend echt ist - vor allem, weil er ohnehin nie in die Zuschauer schaut sondern sie nur hört. Auf der Bühne John McDonald, ein Referee und zwei Schreiber - alles wie immer. Insgesamt finde ich als Zuschauer, dass Sky Sports und die PDC ein gutes Konzept entwickelt haben. Bei den Kommentatoren fehlen Rod Studd und Wayne Mardle - und die beiden fehlen schon ein bisschen, wenn auch der Rest - allen voran Nigel Pearson als Dave Clark Ersatz - gute Arbeit leisten.

Und die Spiele? Also wirklich schwache Leistungen gab es in der ersten Runde nicht - die schlechtesten Durchschnitte kamen von Gabriel Clemens und Steve Beaton und lagen knapp unter 90. Trotzdem war es Clemens, der für die größte Überraschung der ersten Runde sorgte. Er warf nämlich den Titelverteidiger Rob Cross aus dem Turnier, der zwar den besseren Durchschnitt, aber die deutlich schlechtere Trefferquote auf die Doppel hatte. Auch Gerwyn Price schied bereits in Runde 1 aus dem Turnier aus - gegen einen sehr konzentriert spielenden Danny Noppert. Das letzte Erstrundenspiel zwischen den beiden Nachwuchsspielern Nathan Aspinall und Dimitri van den Bergh überlebte ebenfalls der Topspieler nicht - Dimitri van den Bergh überrollte Aspinall förmlich, vielleicht wirkte sich da doch der Monate lange" Zwangsaufenthalt" bei Peter Wright aus - zumindest sagt van den Bergh, dass er einiges bezüglich der Einstellung von Wright in dieser Zeit gelernt hatte.
Die erste Runde wurde auch für weitere Spieler aus den Top 16 zum Stolperstein - Dave Chisnall und Ian White scheiterten ebenfalls, waren aber nicht wie Aspinall, Cross und Price unter den Topfavoriten für den Sieg. Den höchsten Durchschnitt spielte Krzysztof Ratajski - der gegen Jermaine Wattimena beeindruckte. Fast ebenso stark war Glen Durrant, der so spielte, wie Durrant in Bestform eben spielt. Auch wenn der Durchschnitt nicht ganz so hoch war - beeindruckend spielten auch Adrian Lewis, der sehr viel stabiler wirkte als man das in letzter Zeit von ihm gewohnt war, und Vincent van der Voort. Auch ihn hat man schon lange nicht mehr so überzeugend gesehen. Anscheinend hat ihm die Pause gut getan. Drei Spiele gingen in die Verlängerung, in der sich Mensur Suljovic, James Wade und Joe Cullen durchsetzen, Cullen sogar in einem Sudden Death Leg. Wirklich Spaß zu haben schien Simon Whitlock, der sich mit dem nicht vorhandenen Publikum und den Kameras amüsierte und keine Probleme hatte, sich im Eröffnungsspiel gegen Ryan Joyce zu behaupten.

Alles in allem also eine gute erste Runde, auch wenn ausgerechnet einige der Top Favoriten am enttäuschten. Aber es war alles drin - Drama, Spaß, tolle Spiele und einige Überraschungen -mehr kann man eigentlich nicht erwarten.

Ob Gary Anderson tatsächlich shoppen war, konnte ich aber nicht in Erfahrung bringen...






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