Interview mit Paul Gillings und Anthony Urmston-Toft

Neue Wege im Dartsport

Ich hatte Paul Gillings, einen Sportwissenschaftler, und Anthony Urmston-Toft, Dartspieler des PDC Pro Circuit, kurz nach der offiziellen Pressemitteilung über ihre zukünftige Zusammenarbeit im März in Wigan während eines Players Championship Wochenendes kennengelernt.
Jetzt, genau 3 Monate später habe ich beim Players Championshop in Barnsley folgendes Interview mit ihnen geführt, um mehr über diese bisher im Dartsport einmalige Zusammenarbeit und die daran Beteiligten zu erfahren.

Paul - was hast Du gemacht, bevor Du an die Universität gegangen bist?

Ich habe im Bereich Investment - Immobilien gearbeitet.

Und was hast Du dann an der Universität studiert?

Das Fach nennt sich "Football Studies". Für Fußball habe ich mich immer schon interessiert.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Es ist ein Bereich der Sportwissenschaft, der sich überwiegend mit Fußball beschäftigt und man lernt dabei viel über einen vernünftigen Trainingsaufbau, über Management, auch Sportpsychologie spielt mit hinein und Trainingsmethoden. Auch Leistungsanalyse und Dinge wie Ernährung und Fitness werden angesprochen.

Und wie bist Du dann zum Dartsport gekommen? Bist Du vielleicht selbst Dartspieler?

Ich habe zwar selbst auch ein bisschen Dart gespielt, aber keine enge Beziehung zum Dartsport. Aber als ich meine Abschlussarbeit in Angriff nahm fiel mir auf, dass es über den Dartsport eigentlich gar keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt und da habe ich eine Studie zum Thema "Leistungssteigernde Drogen im Dartsport" durchgeführt. Es haben überwiegend Pub - und Countyspieler daran teilgenommen, aber auch ein paar Profis.
Nach dem Abschluss des Studiums dachte ich, es wäre eine gute Idee, das, was ich während des Studiums gelernt hatte, im Bereich Dartsport umzusetzen. Das hatte noch nie jemand gemacht - ich könnte so einen ganz neuen Markt erschließen und mir vielleicht damit meinen Lebensunterhalt verdienen.

Kann man denn "Fußballmethoden" so einfach auf den Dartsport übertragen?

Natürlich ging es bei meinem Studium im Wesentlichen um Fußball, aber die grundlegenden Trainingsmethoden, der Trainingsaufbau oder Dinge wie Leistungsanalyse und Ernährung sind schon in allen Bereichen des Sports gleich und übertragbar.
Ein Dartspieler trainiert natürlich etwas anderes als ein Fußballspieler, aber ich kann trotzdem einen effektiven Trainingsplan für ihn aufstellen oder die Punkte herausfinden, in denen die Leistung verbessert werden muss.

Setzt Du Dich dann auch mit dem Wurf oder der Ausrüstung auseinander?

Nein - in die Technik mische ich mich gar nicht ein, das ist doch eine sehr individuelle Sache.

Und wie genau schaut denn jetzt die Zusammenarbeit mit Anthony aus?

Ich begleite Anthony zu den Turnieren, beobachte seine Spiele, schreibe mir die Scores auf. Nach dem Spiel bekommt er von mir ein erstes Feedback.

Und dann?

Dann telefonieren wir noch mehrmals miteinander und sprechen über die Spiele. Arbeiten auf, was gelaufen ist.

Und wie hat sich das nun in den drei Monaten entwickelt?

Das fragst Du besser Anthony!!

Anthony, wie beurteilst Du das Ganze nun nach drei Monaten?

Ich denke, dass ich mich verbessert habe. Die mentale Seite ist ja im Dartsport enorm wichtig und das, was wir hier zusammen machen hilft, dass ich lange nicht mehr so nervös in die Spiele gehe.
Viele Spieler haben mich auch darauf angesprochen, dass ich sehr viel Selbstbeherrschung zeige und nicht die Fassung verliere, auch nicht, wenn ich verliere. Es ist ein ganz wichtiger Schritt zu lernen ein guter Verlierer zu sein. Da habe ich doch viel dazugelernt, was aber nicht heißt, dass es mir überhaupt nichts ausmacht, wenn ich verliere.

Und was für ein Gefühl ist es, wenn man von einem Trainer zur den Turnieren begleitet wird?

Das ist viel besser, als wenn die Familie dabei ist. Die Familie macht alles viel emotionaler und es belastet einem viel mehr, wenn man keine Leistung bringen kann. So hat man eine sachliche Unterstützung ohne Druck.

Wie lange spielst Du denn schon Darts?

Ich habe schon mit vier Jahren meinen ersten Dart geworfen, damals war es freilich noch ein Spielzeugdart für Kinder. Und seit damals spiele ich. Mein Vater hat immer die Höhe des Bulls meiner Körpergröße angepasst, als ich erwachsen war, war dann auch das Bull auf der richtigen Höhe angelangt. Ich habe im Pub gespielt, in der Liga. Dann für die County Lancashire und als die Leute dort dank ihrer Erfolge etwas unangenehm wurden, habe ich für Mercyside gespielt - auch wieder erfolgreich.

Du bist jetzt 25 - hast Du ununterbrochen Darts gespielt?

Nein, als ich studiert habe, habe ich eine Pause eingelegt. Mit 18 war ich schon einmal in die PDC eingetreten, dann kam die Pause und jetzt bin ich zurückgekommen.

Und was hast Du studiert?

Es nennt sich "Hospitality Managemant" Dabei geht es um Catering oder wie man ein Restaurant leitet.

Könntest Du dann auch Hoteldirektor werden?

Ja - das könnte ich auch. Aber ich arbeite immer noch im Catering.

Als ich Dich vor drei Monaten zum ersten Mal getroffen habe, warst Du auf der Suche nach Deinem idealen Dart. Inzwischen hat Red Dragon Dir einen entsprechend Deiner Wünsche hergestellt. Wie kam es dazu?

Ich denke, ich habe Hunderte von Dart Sets zu Hause und Säcke voller Flights und anderem Zubehör. Zu jeder Gelegenheit habe i ch Darts geschenkt bekommen. Immer lag mir ein Gewicht so zwischen 21, 22, 23 Gramm am besten. Ich habe John Part's und John Lowe's , aber kein Dart war genauso, wie ich ihn gerne gehabt hätte. Ich hatte immer ein Ideal in meinem Kopf.

Dann hat doch tatsächlich Red Dragon zugestimmt, meine Vorstellungen umzusetzen und ich habe einen ganzen Tag dort in der Entwicklungsabteilung verbracht. Ich bin über das Ergebnis sehr glücklich. Ich wollte nie einen Dart dessen Gewicht vorne oder hinten im Barrel liegt, sondern einen ganz aus balancierten Dart, das ist sehr wichtig für die Genauigkeit.
Mein Dart ähnelt etwas dem John Lowe Dart, aber der Barrel ist länger und hat damit ein größeres Griff-Feld. Die Nase ist etwas flacher. Und dann habe ich längerer Spitzen mit Rillen, weil ich den Dart weit vorne anfasse. Durch die flache Nase und die langen Spitzen kann ich die Darts auch enger gruppieren. Ich benutze auch besondere Flights und dazu Aluminium Schäfte.

Paul: Ich war zusammen mit Anthony bei Red Dragon - das war wirklich eine ganz besondere Erfahrung. Und Anthony fing sein erstes Spiel dieses Wochenende gleich mit einer 180 an. Red Dragon war auch ganz begeistert von dem Design.

Anthony: Ja sie werden die Darts noch dieses Jahr auf den Markt bringen. Sie waren überzeugt vom Design. Sie suchen ja immer nach neuen Ideen und das ist nun wirklich ein ganz neues Design. Aber ich weiß noch nicht, unter welchem Namen sie sie verkaufen werden, es sind auf jeden Fall keine Anthony Urmston-Toft Darts, leider.

Weißt Du schon, was sie kosten werden?

Nein, da habe ich keine Ahnung. Sie sind auf jeden Fall 95 % Tungsten. Ich weiß nur, dass es rund 2000 Pfund gekostet hat, den Prototyp herzustellen.

Paul, hast Du selbst Ahnung von Dartdesign? Oder wie sich das Design auswirkt?

Paul: Nein, so gut wie gar nicht. Aber Anthony versteht sehr viel von solchen Dingen. Es fällt ihm auch immer sofort auf, wenn ein Spieler irgendetwas an seiner Ausrüstung oder an seinem Wurfstil verändert hat.

Anthony: Ja, das ist richtig. Ich sehe das sofort und kann auch gleich sagen, wie sich das auswirken wird. Das hat mich schon immer interessiert. Ich weiß ganz genau, was passieren wird, wenn man einen anderen Flight benutzt oder wenn ein Spieler seinen Dart vor dem Abwurf weiter zurückzieht als sonst. Natürlich berücksichtige ich solche Dinge auch bei meiner Technik und meiner Ausrüstung.

Bist Du dann auch in der Lage vorherzusagen ob ein Spieler verlieren oder gewinnen wird?

Ich glaube schon, dass man das vorhersagen kann, wenn man sich die Spieler vor einem Spiel genau anschaut.

Paul - schaust Du Dir denn auch an, was andere Spieler machen?

Ja - wenn ich während der Turniere die Gelegenheit habe, Anthonys Gegner zu beobachten, mache ich das natürlich vor seinen Spielen.
Und ich schaue mir auch Darts im Fernsehen an. Während ich mit Anthony unterwegs bin, geht es mir aber schon überwiegend um ihn, seine Spiele und seine Scores.

Habt Ihr Eure Zusammenarbeit zeitlich irgendwie begrenzt?

Paul: Nein. Anthony ist ja für mich so eine Art Versuchskaninchen und wir müssen erst einmal sehen, was geschehen wird. Ich stelle mir schon vor, dass Anthony irgendwann einmal selbständig ist, aber dass ich im Hintergrund immer präsent bleibe.
Mein ursprünglicher Gedanke war ja, dass ich, um meinen Lebensunterhalt wirklich mit dieser Art von Arbeit verdienen zu können, mit mehreren Spielern arbeiten müsste. Jetzt weiß ich, dass das möglicherweise schwierig werden könnte, zumindest, wenn all diese Spieler die gleichen Turniere spielen würden.
Aber unsere Zusammenarbeit hat sich jetzt noch in eine ungeplante Richtung entwickelt und wir planen jetzt irgendwann ein Trainingsbuch oder einen Internet-Trainings Kurs herauszubringen oder vielleicht auch zusammen Dart Training für Jugendliche anzubieten - das ist noch nicht konkret sondern alles erst angedacht..

Anthony, Wieviel trainierst Du denn?

Ich trainiere jeden Tag 2 - 3 Stunden und versuche, zusammen mit Anthony das Training effektiver zu gestalten.

Das hört sich sehr viel versprechend an- die Kombination Sportwissenschaft/Wissen über Trainingsgestaltung/Sportpsychologie und dazu Anthonys praktische Dart Kenntnisse und sein Auge für die Auswirkungen von Technik und Ausrüstung. Aber ist der Dartsport für so eine Art Training nicht zu individuell?

Paul: Man müsste natürlich das Training an die einzelnen Spieler anpassen. Das Training setzt sich ja ohnehin aus verschiedenen Bausteinen zusammen, die man ohne weiteres an Können und Bedürfnisse des Spielers anpassen kann. Und wichtig wäre es auch die Spieler dazu anzuleiten, ihre Trainingsleistungen aufzuschreiben und dadurch herausfinden zu können, ob das was sie im Training tun auch wirklich effektiv ist.

Paul - für den Dartsport wäre das ein vollkommen neuer Weg - wie passt da denn dann noch der Alkohol dazu?

Meine Studie hat ja gezeigt, dass 85 % der Spieler Alkohol als leistungsfördernde Droge benutzen. Alkohol in geringem Maß beruhigt ja auch wirklich die Nerven, aber die Menge an Alkohol, die die meisten Spieler zu sich nehmen, hat sicher eher eine leistungsmindernde Wirkung.
Ich denke, dass die Zukunft Darts ohne Alkohol bringen wird. Es ist einfach nicht wahr, dass das nicht möglich ist. Zu mindest nicht auf der professionellen Ebene. Es ist auch nicht so, dass man unbedingt Alkohol trinken muss, weil Darts im Pub gespielt wird, wobei das natürlich dazu verleiten kann. Schau Dir nur Anthony an - ich sehe in ihm so eine Art Prototyp des zukünftigen Dartspieler.

Trinkst Du keinen Alkohol, Anthony?

Anthony:Ich trinke schon ab und zu Alkohol, aber nicht viel und schon gar nicht wenn ich Dart spiele. Wenn ich Dart spiele arbeite ich ja und während der Arbeit sollte man ja nun wirklich keinen Alkohol trinken. Ich trinke Tee, den ich mir manchmal auch selber mitbringen. Aber Trinken und Essen während der Turniere ist ohnehin ein Problem - zum Alkohol gibt es kaum Alternativen und Bier ist darüber hinaus oft das billigste Getränk.

Paul: Mit dem Essen ist es auch nicht sehr viel besser. Schau Dir nur einmal an, wie das Angebot der Veranstaltungsorte aussieht und vergleiche das damit, was andere Profi Sportler essen und wie wichtig man das richtige Essen in anderen Sportarten nimmt.

Anthony: Das wäre doch etwas, was die PDC auch ändern könnte. Man könnte gesundes Essen anbieten. Die körperliche Fitness wird doch für die Spieler immer wichtiger, Übergewicht bringt da Probleme mit sich.

Ihr denkt also, die Zukunft gehört dem Ernährungs- bewussten, körperlich fitten und keinen Alkohol trinkenden Dartspieler, einem Dart-Athleten, der einen Trainer hat?

Anthony: Ja, das glaube ich schon. Bisher haben die Spieler ja nur Manager, die sich aber um solche Dinge gar nicht kümmern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Art Spieler, die sich am Abend vor dem Turnier betrinkt und beinahe ohne Schlaf ans Oche tritt, überleben wird.

Jetzt bin ich wirklich gespannt darauf, wie sich Eure beiden Vorhaben entwickeln werden.

Paul:Wir werden Dich auf dem Laufenden halten.







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